Netzwerk Kinderrechte Schweiz
Lebensumstände in Rückkehrzentren verletzen Kinderrechte
Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter besuchte zwischen Mai und August 2021 unter anderem die Rückkehrzentren in Aarwangen und Biel, wo Familien mit Kindern untergebracht sind. Im daraus resultierenden Bericht übt die Kommission drastische Kritik an den Lebensbedingungen der dort untergebrachten Kinder und Jugendlichen. Die Kommission sieht das Recht der Kinder auf einen angemessenen Lebensstandard (Artikel 27 UN-KRK) und des Rechts auf Ruhe, Freizeit, Spiel und altersgemässe aktive Erholung (Artikel 31 UN-KRK) verletzt.
Platzverhältnisse nicht menschenwürdig
Familien, die in Rückkehrzentren leben, sind von der Sozialhilfe ausgeschlossen. Sie leben von minimaler Nothilfe, die gerade für Kinder mit Familien kaum reicht, um notwendige Ausgaben für Nahrung, Kleidung und Hygiene zu decken. Sie sind auf die Hilfe von karitativen Organisationen angewiesen.
Auch die Platzverhältnisse in den Zentren, insbesondere im Zentrum Aarwangen, sind für Familien mit Kindern menschenunwürdig. So besuchte die Kommission eine Familie, die mit zwei Kindern in einem Raum von 14.7 m2 lebt – das muss reichen für schlafen, essen, spielen und Hausaufgaben machen. Dies unterschreitet sogar die Standards im Strafvollzug. Die Schlafräume sind ausserdem feucht und von Schimmel befallen.
Gemäss Bericht ist das Klima in den Rückkehrzentren geprägt von Aggressionen und Ängsten. Viele Bewohnerinnen und Bewohner leiden an psychischen Problemen. Gerade für Kinder wäre es daher äusserst wichtig, dass sie regelmässige Auszeiten von den Zentren haben. Die Regelungen zur Anwesenheitspflicht machen es für Eltern und Kinder aber äusserst schwierig, Kontakte ausserhalb zu pflegen.
Schwer wiegen zudem fehlende Rückzugsmöglichkeiten wie Spiel- und Aufenthaltsräume für Kinder und Jugendliche. Auch die Aussenbereiche der Zentren sind nicht kindgerecht. Die Kinder und Jugendlichen leben in einem ständigen Spannungsfeld zwischen der Reizüberflutung (Aggressionen und Ängste unter Zentrumsbewohnenden) und Reizarmut (fehlenden Spielmöglichkeiten, fehlender Kontakt zu gleichaltrigen Kindern).
Weiter besuchen Kinder teils zentrumsinterne Schulen Der Besuch der öffentlichen Schule wäre aber für diese Kinder wichtig, da sie so Kontakte zu Gleichaltrigen knüpfen und Zeit ausserhalb der Zentren verbringen können.
Insgesamt hält die Kommission fest, dass die Lebensbedingungen der Kinder und Jugendlichen in den Zentren ihre gesunde Entwicklung gefährdet. Die Wohnsituation ist mit der UN-Kinderrechtskonvention nicht vereinbar. Insbesondere die engen Platzverhältnisse und die fehlenden Rückzugs- und Spielmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche verstossen gegen das Recht auf angemessene Lebensbedingungen (Artikel 27) sowie das Recht der Kinder auf Ruhe und Freizeit sowie auf Spiel und altersgemässe aktive Erholung (Artikel 31).
Die Kommission macht unter anderem folgende Empfehlungen:
- Den Nothilfe-Betrag für Familien mit Kindern und erhöhen und durch Sachleistungen ergänzen;
- Kinder von den in den Zentren geltenden Anwesenheitspflicht befreien, sodass sie die Möglichkeit haben, an Lagern teilzunehmen oder einige Zeit bei befreundeten Familien verbringen und so eine Auszeit vom Zentrum zu nehmen;
- Familien mit Kindern grundsätzlich in Wohnungen unterbringen;
- Schulpflichtige Kinder grundsätzlich in der öffentlichen Schule unterrichten. Zentrumsinterner Unterricht muss im Einzelfall sachlich gerechtfertigt und nicht länger als für die notwendige Zeit vorgesehen sein sowie sich nach dem Lehrplan der öffentlichen Schule richten.
Das Netzwerk Kinderrechte Schweiz teilt die Einschätzung der Kommission. Kinder dürfen nicht für den Aufenthaltsstatus ihrer Eltern verantwortlich gemacht werden. Das übergeordnete Kindesinteresse muss Vorrang vor dem Interesse an einer restriktiven Migrationspolitik haben. Das Netzwerk Kinderrechte Schweiz hat unlängst in seinem NGO-Bericht an den UN-Kinderrechtsausschuss festgehalten, dass der andauernde Aufenthalt von Kindern in Kollektivunterkünften mit der UN-KRK nicht vereinbar ist. Auch die interne Beschulung von Kindern in Kollektivunterkünften ist nicht haltbar.