Netzwerk Kinderrechte Schweiz

Fürsorgerische Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierung

Das Bundesgericht bejaht die Opfereigenschaft eines fremdplatzierten Kindes auch nach der Zwangsadoption durch die Pflegeeltern.

Das Bundesgericht hat in einem Urteil vom 5. Mai 2023 die Opfereigenschaft eines fremdplatzierten Kindes bejaht, das nach der Adoption durch die Pflegeeltern körperliche Gewalt und Ausbeutung erfuhr. Das Gericht anerkennt damit den Anspruch auf Ausrichtung eines Solidaritätsbeitrags nach dem Bundesgesetz über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 (AFZFG). Der Betroffene wurde 1967 seiner Mutter weggenommen in einer Pflegefamilie fremdplatziert. Die Pflegeeltern adoptierten das Kind im Alter von knapp zweieinhalb Jahren. In der Folge erlitt es im Vorschulalter und während der Schulzeit bei seinen Adoptiveltern körperliche Gewalt durch schwere Schläge sowie wirtschaftliche Ausbeutung durch übermässige Beanspruchung seiner Arbeitskraft in der schulfreien Zeit.


Das Bundesamt für Justiz (BJ) lehnte ein Gesuch des Betroffenen für einen Solidaritätsbeitrag ab, sowie die dagegen erhobene Einsprache. Das Bundesverwaltungsgericht hiess die Beschwerde des Betroffenen gut, worauf das BJ den Fall ans Bundesgericht weiterzog. Das Bundesgericht hat nun die Beschwerde abgewiesen und ist der Ansicht, dass ein Kind auch nach einer Adoption durch die Pflegeeltern als fremdplatziert im Sinne des AFZFG gilt.


Das Bundesgericht hält fest, dass es dem Sinn und Zweck des Gesetzes widerspreche, den Anspruch auf die Ausrichtung eines Solidaritätsbeitrags restriktiv zu handhaben und die Frage nach der Opfereigenschaft rein formal-juristisch zu beantworten.


Medienmitteilung des Bundesgerichts vom 01.06.2023

Bundesgerichts-Urteil 2C_393/2022

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