Netzwerk Kinderrechte Schweiz
Kantone und Gemeinden müssen die Situation von Kindern in der Sozialhilfe verbessern.
Kinder und Jugendliche sind überdurchschnittlich oft von Armut betroffen und haben von allen Altersgruppen die höchste Sozialhilfequote. Gleichzeitig sind die Leistungen der Sozialhilfe für Kinder deutlich zu tief bemessen und auch bei der Ausgestaltung der Sozialhilfe besteht Handlungsbedarf. Zu dieser Erkenntnis kommt eine von der Charta Sozialhilfe Schweiz in Auftrag gegebene Studie zur materiellen Situation von Kindern und Jugendlichen in der Sozialhilfe. SODK, SKOS und Städteinitiative Sozialpolitik wollen nun Reformen einleiten, um die wirtschaftliche Situation von Kindern und Jugendlichen in der Sozialhilfe gezielt zu verbessern.
Kinder und Jugendliche sind überdurchschnittlich armutsgefährdet. Im Jahr 2022 lebten in der Schweiz 17.2 Prozent der unter 18-Jährigen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze (BFS SILC), was rund 269'000 Kindern entspricht. Die erhöhte Armutsgefährdung von Kindern schlägt sich auch in einer höheren Sozialhilfequote nieder. 2022 lag diese für unter 18-Jährige bei 4,8%, der höchste Wert unter allen Altersklassen. Dies entspricht etwa 76'000 Kindern in der Schweiz.
Dringender Handlungsbedarf bei der Sozialhilfe für Kinder
Die Studie, die das Büro Bass im Auftrag der Charta Sozialhilfe Schweiz erstellt hat, zeigt deutlich auf, dass bei der Ausgestaltung und der Höhe der Sozialhilfeleistungen Handlungsbedarf besteht:
- Die spezifischen Bedürfnisse von Kindern werden in der Beratung und Begleitung zu wenig thematisiert und entsprechend bei der Leistungsbemessung nicht angemessen berücksichtigt. Das Bewusstsein für die Bedürfnisse und Rechte der Kinder muss in den Sozialdiensten gestärkt werden.
- Die aktuellen Sozialhilfeleistungen für Kinder sind teilweise unzureichend. Der Grundbedarf für Familien mit mehreren Kindern ist zu tief und die SKOS-Richtlinien sehen dieselben Unterstützungsleistungen für alle Kinder vor, vom Kleinkind bis zum Jugendlichen. Es braucht daher dringend altersabhängige Leistungen und einen Ausgleich der strukturellen Unterdeckung beim Grundbedarf.
- Und bei der Ausrichtung von situationsbedingten Leistungen (SIL) zur Deckung von besonderen Bedürfnissen (Musikunterricht, Sport, usw.) bestehen grosse Unterschiede je nach Sozialdienst. Die SKOS-Richtlinien müssen in diesem Bereich klar und verbindlich ausgestaltet werden, damit die SIL als wirksames Instrument zur Förderung der sozialen Teilhabe (Art. 31. KRK) der unterstützten Kinder gestärkt wird.
Prekäre Situation von Kindern in der Asylvorsorge
Noch prekärer ist die Situation für vorläufig Aufgenommene, Asylsuchende und Geflüchtete aus der Ukraine (Schutzstatus S). Sie erhalten nur Asylfürsorge, deren Ansätze generell wesentlich tiefer sind als jene der regulären Sozialhilfe. Die genaue Bemessung der Asylfürsorge variiert je nach Kanton und teils auch zwischen den Gemeinden. Somit fällt der Grundbedarf einer Familie mit zwei Kindern zwischen 14 und 52 Prozent tiefer aus als bei der regulären Sozialhilfe. Von der Asylfürsorge unterstützte Kinder leben faktisch unter dem sozialen Existenzminimum. Diese Ansätze müssen künftig existenzsichernd ausgestaltet und national einheitlich geregelt werden.
Empfehlungen an die Politik und Fachorganisationen
Die Autor*innen formulieren in der Studie insgesamt 14 Empfehlungen zuhanden der Politik und der Fachorganisationen der Sozialhilfe. Neben Vorschlägen zur Höhe und Ausgestaltung der Sozialhilfeleistungen und der Verbesserung der Beratung fokussieren sie auch auf die stärkere Berücksichtigung der kinderrechtlichen Verpflichtungen in der Sozialhilfe. So fordern sie unter anderem, dass das Recht des Kindes auf soziale Sicherheit und einen angemessenen Lebensstandard gemäss Artikel 26 und 27 KRK im Sozialhilferecht stärker verankert, Kinderarmut bekämpft und das Anhörungsrecht von Kindern gestärkt wird.
SODK, SKOS und Städteinitiative Sozialpolitik haben beschlossen, die in der Studie vorgeschlagenen Massnahmen vertieft zu prüfen und Reformen einzuleiten, um die wirtschaftliche Situation von Kindern und Jugendlichen in der Sozialhilfe gezielt zu verbessern.
Die Studie wurde für die Charta Sozialhilfe Schweiz im Auftrag der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren SODK, der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe SKOS, des Schweizerischen Städteverbands SSV und der Städteinitiative Sozialpolitik, der Stadt Zürich und der Eidgenössischen Migrationskommission EKM erstellt.