Netzwerk Kinderrechte Schweiz

Nächtliche Ausgangssperre für Kinder

Die Berner Gemeinde Studen hat im Juni eine Ausgangssperre für Jugendliche bis 14 Jahre eingeführt. Diese dürfen sich zwischen 22 und 6 Uhr nicht ohne aufsichtsberechtigte Person im öffentlichen Raum bewegen. Die Gemeinde will damit Vandalismus bekämpfen und den Druck auf Eltern erhöhen, die sich zu wenig um ihre Kinder kümmern. Unsere Mitgliedsorganisation UNICEF Schweiz und Liechtenstein hat die Massnahme kinderrechtlich eingeordnet.

Die Sperrstunde stellt eindeutig eine Kinderrechtsverletzung dar. Kinderrechte gelten bedingungslos und jederzeit für alle Kinder zwischen 0-18 Jahren. Folgende in der UN-Konvention über die Rechte des Kindes garantierten Rechte sind betroffen:  

·         Art. 2: Nicht-Diskriminierung

·         Art. 3: Übergeordnetes Kindesinteresse

·         Art. 12: Miteinbezug von Kindern bei Angelegenheiten, die sie betreffen

·         Art. 15: Versammlungsfreiheit

·         Art. 31: Erholung, Spiel, Kultur, Kunst


Die Sperrstunde tangiert zudem das in Art. 10 Abs. 2 Bundesverfassung verankerte Grundrecht auf Bewegungsfreiheit. Die Grundrechte gelten für alle, auch für Kinder. Die persönliche Freiheit von Kindern hört auf, wenn sie die Rechte anderer einschränkt. Sie kann begrenzt werden, wenn dies dem öffentlichen Schutz oder der allgemeinen Sicherheit dient. Sie muss jedoch in jedem Fall gerechtfertigt und verhältnismässig sein. Die Gemeinde Studen argumentiert einseitig mit der präventiven Wirkung der Ausgangssperre und dem Schutz der Kinder. Die Kinderrechte lässt sie vollkommen ausser Acht. Mit diesem Entscheid werden alle Kinder unter einen Generalverdacht gestellt, nämlich, dass sie die Allgemeinheit und das Zusammenleben stören. Das sendet ein sehr starkes und negatives Signal an Kinder.


Gemäss UNICEF Schweiz und Liechtenstein sind Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum weit verbreitet. Oftmals werden Kinder und Jugendliche auf kommunaler Ebene mit Vandalismus, Lärm, Verschmutzung usw. in Verbindung gebracht. Dies endet nicht selten im Aufstellen von Verbotstafeln auf öffentlichem Grund. Präventive Massnahmen sollten auf Dialog und Sensibilisierung setzen. Beispielsweise können Gemeinden aktiv das Gespräch mit verschiedenen Bevölkerungsgruppen suchen, Empfehlungen und Richtlinien gemeinsam erarbeiten und stärker mit der lokalen Kinder- und Jugendarbeit zusammenarbeiten, beispielsweise in Form von aufsuchender Arbeit. Eine kollektive Bestrafung aller Kinder und Jugendlichen ist nicht verhältnismässig.


Nadine Aebischer, Vorstandsmitglied des Netzwerks Kinderrechte Schweiz und Leiterin Politik bei der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände verurteilt die Sperrstunde. «Die Kinderrechtskonvention garantiert Jugendlichen das Recht, sich zu versammeln und an Entscheidungen, die sie betreffen, teilzunehmen. Diese Kinderrechte hat die Gemeinde Studen nicht eingehalten. Auch das Recht auf Selbstbestimmung, das betont, wie wichtig es ist, dass junge Menschen ihr eigenes Leben bestimmen, wurde ignoriert. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Gemeinden den Kindern und Jugendlichen Räume zum Lernen und zur Entwicklung bieten, statt sie einzusperren.»


Einordnung von UNICEF Schweiz und Liechtenstein

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