Netzwerk Kinderrechte Schweiz
Internationaler Tag der Kinderrechte – Schweiz muss Lücken in der Datenerhebung schliessen
Die Empfehlungen des UN-Kinderrechtsausschusses an die Schweiz zeigen: zu vielen Lebenssituationen von Kindern fehlen in der Schweiz nach wie vor aussagekräftige und desaggregierte Daten. So fehlen Daten zu Gewalt gegen Kinder, aber auch zur Situation von Kindern mit Behinderungen oder zu fremdplatzierten Kindern ist wenig bekannt.
Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes verabschiedete am 27. September 2021 seine Empfehlungen an die Schweiz zur Verbesserung der Kinderrechtssituation in der Schweiz. Das internationale Expertengremium mahnt zahlreiche Lücken bei der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention. Eine prioritäre Empfehlung betrifft die Datenerhebung. Dies ist auch ein zentrales Anliegen des NGO-Berichts des Netzwerks Kinderrechte Schweiz.
Aussagekräftige und aufgeschlüsselte Daten helfen, Lücken aufzudecken
Der UN-Ausschuss fordert, zügig eine umfassende und standardisierte Datenerhebung zu schaffen, die alle kinderrechtlich relevanten Bereiche abdeckt. Die Daten sollen zudem nach Alter, Geschlecht, Behinderung, geografischem Standort, nationaler Herkunft und sozioökonomischem Hintergrund aufgeschlüsselt werden.
Das Netzwerk Kinderrechte Schweiz unterstützt diese Forderung. Aussagekräftige und desaggregierte Daten sind wichtig. Nur so können Lücken, Missstände und eine mögliche Diskriminierung von bestimmten Kindergruppen erkannt und gezielt behoben werden. In der Schweiz werden viele relevante Daten in den Kantonen erhoben. Unterschiedliche kantonale Begriffe und Konzepte zur Datenerhebung zu wichtigen Kinderrechtsthemen erschweren die Vergleichbarkeit. Eine Standardisierung ist daher dringend notwendig.
Prioritäre Handlungsfelder
Das Netzwerk Kinderrechte Schweiz zeigt im NGO-Bericht an den UN-Kinderrechtsausschuss zahlreiche Bereiche auf, zu denen Daten fehlen:
- Kinder- und Jugendhilfe: Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe fehlen schweizweit vergleichbare und regelmässig erhobene Daten über die Nutzung von Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe sowie von Massnahmen zum Schutz von Kindern. Auch fehlen Angaben zu den Ausgaben der Kantone in diesen Bereichen.
- Kinder mit einer Behinderung: Auch Daten zu Kindern mit Behinderungen sind lückenhaft – es ist nicht bekannt, wie viele Kinder mit einer Behinderung in der Schweiz leben. Zudem gibt es so gut wie keine Daten zur Gewaltbetroffenheit von Kindern mit einer Behinderung.
- Kinder im Fluchtkontext: Im Asylbereich fehlen Qualitäts-Indikatoren sowie eine systematische Datenerfassung zu den schweizweit variierenden Betreuungs- und Unterbringungssettings für begleitete Kinder und Jugendliche im Asylbereich. Auch zur Betreuung und Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden in den Kantonen gibt es keine systematische Datenerfassung.
- Kinder mit einem inhaftierten Elternteil: Wenn Eltern inhaftiert werden, hat dies für Kinder meist weitreichende Auswirkungen. In der Schweiz ist wenig bekannt über die Situation dieser Kinder. Daten zu Kindern von Inhaftierten werden bislang nicht systematisch erhoben. Das bedeutet, dass diese Kinder für Justiz und Strafvollzugsbehörden nicht «sichtbar» sind und entsprechend nur selten eine Meldung an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde erfolgt.
- Vermisste und verschwundene Kinder: In der Schweiz fehlt eine systematische Datenerhebung zur Anzahl Kinder, die vermisst werden. Die fehlenden Daten verhindern die Bereitstellung von Präventionsangeboten für Kinder in Risikosituationen.
- Cyberkriminalität und Kinderhandel: Die polizeiliche Kriminalstatistik ist zum Thema Cyberkriminalität in Bezug auf Kinder wenig aufschlussreich. Auch die Datenlage zu minderjährigen Opfern von Menschenhandel ist ungenügend.
- Zur Kinder- und Jugendgesundheit fehlen wichtige Struktur- und Versorgungsdaten.
Weitere Informationen
Committee on the Rights of the Child, Concluding observations on the combined fith and sixth periodic reports of Switzerland, CRC/C/CHE/CO/5-6, 27. September 2021 (auf Englisch)