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Kinderrechte im Parlament: Rückschau auf die Sondersession 2023 des Nationalrats
Der Nationalrat hat während der vergangenen Sondersession (2. bis 4. Mai) mehrere Geschäfte behandelt, die die Rechte der Kinder betreffen. Unter anderem hat er die Motion «Schaffung eines Asylzentrums des Bundes für unbegleitete minderjährige Asylsuchende» abgelehnt, obwohl ein kürzlich veröffentlichter Bericht die Betreuungssituation von unbegleiteten Jugendlichen in Bundesasylzentren (BAZ) kritisierte.
Mit 115 zu 71 Stimmen hat sich der Nationalrat gegen die Motionen «Schaffung eines Asylzentrums des Bundes für unbegleitete minderjährige Asylsuchende» von Nationalrätin Greta Gysin ausgesprochen. Die Motion wollte den Bundesrat beauftragen, alternative Formen der Unterbringung für unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) zu finden anstelle der Bundesasylzentren. Als mögliche Alternativen nannte die Motion beispielsweise eine Unterkunft ausschliesslich für UMA oder die Unterbringung in Pflegefamilien. Mit dem Entscheid des Nationalrates ist das Geschäft erledigt. Die Debatte im Ständerat entfällt.
Der Entscheid des Nationalrates fiel nur wenige Tage nachdem die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) die Betreuungssituation von unbegleiteten Jugendlichen in Bundesasylzentren (BAZ) öffentlich kritisierte. Nach Einschätzung der Kommission sind die Zustände in den Zentren nicht mit der UN-Kinderrechtskonvention vereinbar. Eine persönliche und kontinuierliche Begleitung der Jugendlichen ist nicht gewährleistet. Damit werden das Recht auf Berücksichtigung des übergeordneten Interesses des Kindes (Artikel 3) und das Recht der unbegleiteten Jugendlichen auf Ruhe und Freizeit sowie auf Spiel und altersgemässe aktive Erholung (Artikel 31) verletzt.
Übersicht über kinderrechtlich relevante Geschäfte aus der Sondersession:
- Motion 21.3710, Grüne Fraktion: Schaffung eines Asylzentrums des Bundes für unbegleitete minderjährige Asylsuchende, Abgelehnt.
- Motion 21.3733, Gysin Greta (GP): Kündigungsschutz für frischgebackene Väter, Abgelehnt.
- Postulat 21.3816, Fehlmann Rielle Laurence (SP): Datenbeschaffung bei Videospielen. Ist das wirklich nötig?, Zurückgezogen.
- Motion 21.3892, Addor Jean-Luc (SVP): Den Geltungsbereich der Unverjährbarkeit von Straftaten gegen die sexuelle Integrität ausweiten zum besseren Schutz der Kinder, Abgelehnt.
- Motion 21.4064, Prelicz-Huber Katharina, (GP): Dauer der Berufsvorbereitung für Geflüchtete und andere spät Zugewanderte, Nicht behandelt.
- Motion 21.4206, Geissbühler Andrea Martina (SVP): Kinder, die durch Samenspende erzeugt werden, sollen ab Vollendung des 4. Lebensjahrs die Möglichkeit haben, ihren leiblichen Vater kennenzulernen, Abgelehnt.
- Motion 21.4283, Gysin Greta (GP): Konkubinat und Trennung. Anpassung der Gesetzgebung, Abgelehnt.
- Motion 21.4541, von Falkenstein Patricia (FDP): Wirksame Massnahmen gegen Zwangsverheiratungen, Annahme.
- Motion 22.4019, Herzog Eva (SP): EO-Entschädigungen. Gleiche maximale Tagessätze bei Militärdienst und Mutterschaft, Annahme.