Netzwerk Kinderrechte Schweiz
Der UN-Kinderrechtsausschuss rügt die Schweiz
Der UN-Kinderrechtsausschuss kritisiert den Umgang des Staatssekretariats für Migration (SEM) mit einem unbegleiteten Minderjährigen aus Afghanistan. Die Schweiz hat gemäss dem Ausschuss gegen zwei zentrale Artikel der UN-Kinderrechtskonvention verstossen: gegen Artikel 3 (Berücksichtigung des übergeordneten Kindsinteresses) und Artikel 12 (Recht auf Gehör).
Im aktuellen Fall geht es um einen unbegleiteten Minderjährigen , der vor fast sechs Jahren als damals 17jähriger in die Schweiz kam und hier Asyl beantragte Sein Alter wurde durch eine Knochenanalyse in Schweden bestimmt, wo er zuvor für einige Zeit lebte. Das SEM misstraute dem schwedischen Gutachten und korrigierte die Geburtsdaten des Jungen um einige Monate – ohne ein medizinisches Gutachten. Mit diesem Entscheid des SEM galt er bei seiner Ankunft in der Schweiz als volljährig. Der Jugendliche wehrte sich und zog seinen Fall bis an den UN-Kinderrechtsausschuss.
In seinen Feststellungen kritisiert der UN-Kinderrechtsausschuss das Vorgehen des SEM in mehreren Punkten: So seien dem unbegleiteten Minderjährigen bei den Befragungen keine Vertrauensperson zur Seite gestellt worden. Zudem seien keine psychologischen Gutachten durchgeführt und das Altersbestimmungsgutachten aus Schweden sei nicht berücksichtigt worden.
Minderjährige geflüchtete Kinder ohne elterliche Begleitung haben eine besondere Stellung im Verfahren und geniessen besonderen Schutz. Die Altersschätzung ist im Verfahren ein entscheidender Schritt, denn ihr Ergebnis entscheidet darüber, ob die betreffende Person Anspruch auf Schutz als Kind hat oder nicht. Ein angemessenes Verfahren zur Altersbestimmung und Beschwerdemöglichkeiten dagegen sind daher zwingend erforderlich. Dies hat das SEM im vorliegenden Fall nicht gewährleistet.
Das SEM hat das übergeordnete Interesse des Kindes während des Altersbestimmungsverfahrens nicht als vorrangig berücksichtigt. Es hat den Grundsatz, wonach geflüchtete Personen im Zweifel als minderjährig zu betrachten sind, umgekehrt und den Jugendlichen als Volljährig eingestuft. Das SEM hat somit die Beweislast der Minderjährigkeit auf ihn übertragen. Der UN-Kinderrechtsausschuss verlangt nun, dass die Schweiz für Wiedergutmachung sorgt.
Weitere Informationen:
A.M. gegen die Schweiz, Mitteilung Nr. 80/2019, Entscheid vom 21. Mai 2024
Übersicht zu früheren Urteilen gegen die Schweiz (humanrights.ch)